Jörg Siebert

Jörg arbeitet seit einigen Monaten als Steuer- und Prüfungsassistent bei Dr. Dienst & Partner in Koblenz. 

Was hat Dich am meisten an Deiner vorhergehenden Anstellung gestört beziehungsweise was hast Du am meisten vermisst?

Es gab keinen konkreten Anlass, kein Ereignis X, das mich dazu gebracht hätte, zu kündigen. Es war vielmehr eine negative Entwicklung über zwei Jahre hinweg, in denen das Arbeitspensum immens angestiegen ist. Es kamen immer mehr Mandate hinzu, die Aufgaben pro Mandant wurden mehr – Stichworte ‚Corona-Hilfspakete‘ und ‚Grundsteuerreform‘ – und etliche Kolleginnen und Kollegen verließen das Unternehmen, ohne dass adäquater Ersatz gefunden worden wäre. Das fängt man dann natürlich auf.

Aber irgendwann wurde die Arbeitsbelastung einfach zu groß?

Ja, aber es war vor allem die fehlende Wahrnehmung dessen, was man leistet, die ausbleibende Anerkennung für die endlosen Überstunden. Dabei spreche ich noch nicht einmal von Prämien oder irgendwelchen Boni, sondern schlicht von der Wertschätzung und Dankbarkeit für den Einsatz, den man täglich bringt. Dann beobachtet man, wie andere – aus ähnlichen Gründen – gehen und irgendwann stellt man sich auch selbst die Frage, ob das alles noch so passend ist. Und dann rief im falschen – oder richtigen? – Moment tatsächlich ein Headhunter bei mir an. Und während ich bis dahin immer alle Anfragen über LinkedIn dankend abgelehnt habe, habe ich diesmal nachgefragt, was denn so im Angebot wäre.

Welche Voraussetzungen hast Du an einen neuen Job gestellt?

Am wichtigsten war mir herauszufinden, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen beurteilen. So war mein jetziger Arbeitgeber bei ‚kununu‘ zum Beispiel sehr gut bewertet, und zwar nicht allein im Hinblick auf die reine Sternevergabe, sondern auch in den Freitext-Feldern, wo die Leute viel über ihren Arbeitsalltag geschrieben haben. Da kam ich dann so richtig ins Grübeln, nach dem Motto: ‚So kann das also auch laufen?‘.

Ich habe Wert daraufgelegt, genau zu schauen, wie die Kanzlei mit ihren sämtlichen Mitarbeitenden umgeht und nicht nur mit den neuen, die eine gute HR-Abteilung vielleicht mit besonderen Dingen bedenkt, um sie zu gewinnen. Außerdem ist die Möglichkeit zum Homeoffice für mich ein Muss. Und ein kleines bisschen mehr Geld wollte ich natürlich auch.

Wie lief der Bewerbungsprozess ab? Gab es Alternativkanzleien zu Deinem jetzigen Arbeitgeber?

Ich habe im Anschluss an die Gespräche mit dem Headhunter etwa fünf Bewerbungsgespräche mit verschiedenen Kanzleien geführt. Bei meinem jetzigen Arbeitgeber ist mir vor allen Dingen sehr positiv aufgefallen, wie super-schnell alles ging, wie strukturiert hier offenbar gearbeitet wird. Wir vereinbarten ein Gespräch mit einem Vorlauf von nur fünf oder sechs Tagen, danach dauerte es genau zwei Tage, bis ich den ersten Entwurf eines Arbeitsvertrages hier hatte. Danach habe ich selbst etwas Bedenkzeit gebraucht, aber auch danach hatte ich im Anschluss an meine Zusage binnen drei Tagen den finalen, unterschriebenen Arbeitsvertrag.

Musstest Du Kompromisse machen oder wurden alle Deine Erwartungen erfüllt?

Wenn ich einen Kompromiss machen musste, dann nur den, dass innerhalb der Probezeit noch kein Homeoffice möglich ist – aber das ist ja zwecks Einarbeitung auch völlig nachvollziehbar. Auch mein Büro teile ich mir jetzt mit zwei anderen Kollegen, zuvor nur mit einer. Das fällt aber nicht ins Gewicht, da wir hier vier Tage Anspruch auf Homeoffice haben und somit künftig wenig Überschneidung gegeben ist. Abgesehen von diesen beiden Aspekten ist alles genau so, wie ich es mir gewünscht habe.

Wie beurteilst Du Deinen neuen Job jetzt – nach einiger Zeit?

Die Arbeit ist mehr oder weniger ja die gleiche, sogar die Software ist dieselbe. Umso mehr kann ich mich darauf konzentrieren, die Kolleginnen und Kollegen kennen zu lernen, von denen ich herzlich empfangen wurde. Generell fällt mir auf, dass sehr viel geduzt wird, und zwar ganz unabhängig von Titeln, was den Umgang sehr erleichtert. Das war bei meinem alten Arbeitgeber auch ganz anders.

Gibt es für Dich ein Killerkriterium, welches dazu führen würde, dass Du Dich erneut veränderst?

Wenn Homeoffice wegfiele, wäre das für mich schon schwierig. Ich wohne nicht in Koblenz, sondern in einem Dörfchen im vorderen Hunsrück, was dazu führt, dass ich mir täglich eine Stunde Fahrt spare, wenn ich nicht ins Büro muss. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt.

Glaubst Du, dass sich ganz allgemein die Anforderungen von Mitarbeitenden geändert haben?

Ich denke, in der Branche hat sich – wie beinahe überall – sehr viel verändert. Die Mitarbeitenden können sich die besten Stellen aussuchen. Die Generation Z, die jetzt den in den Arbeitsmarkt eintritt, nachdem die Boomer-Generation mehr und mehr in Rente geht, hat andere Vorstellungen vom magischen Dreieck ‚Gehalt – Karriere – Vereinbarkeit mit Privatem‘. Und sie kann diese Vorstellungen durchsetzen.

Welche Rolle spielen denn Gehalt, Vereinbarkeit von Beruf und Privatem und Karrierechancen?

Ich glaube, man kann nicht alle drei Bereiche gleichzeitig bedienen: Wenn ich meine Karrierechancen erhöhen will, geht das zwar mittelfristig mit mehr Geld, aber aufgrund des höheren Arbeitseinsatzes für Fortbildung etc. auch mit weniger Zeit für das Privatleben einher. Die klassische Frage ist die nach dem Berufsexamen: In der Steuerberatungsbranche ist das ja der klassische Aufstieg. Für mich persönlich allerdings spielt dies die nächsten zwei bis drei Jahre noch keine Rolle, wie sich das in Zukunft ergeben wird, kann ich noch nicht sagen.